Das Braunkehlchen sucht in den artenreichen Streuwiesen Futter, © Bettina Kelm|Wiesenbrüterbeauftragte für das Loisach-Kochelsee-Moor
Bettina Kelm
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Bettina Kelm

Testimonial

Gemeinsam mit meinem Mann Axel bin ich seit 2019 ehrenamtlich im Wiesenbrüterschutz in den Loisach-Kochelsee-Mooren aktiv und wurde 2020 vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als ehrenamtliche Wiesenbrüterberaterin für das Gebiet bestellt.

Bettina Kelm, Wiesenbrüterberaterin
Bettina Kelm engagiert sich für Wiesenbrüter, © Kelm

Bitte stell Dich einmal kurz vor und wie Du zum Wiesenbrüterschutz gekommen bist.

Gemeinsam mit meinem Mann Axel bin ich seit 2019 ehrenamtlich im Wiesenbrüterschutz in den Loisach-Kochelsee-Mooren aktiv und wurde 2020 vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als ehrenamtliche Wiesenbrüterberaterin für das Gebiet bestellt.

Hauptberuflich trage ich zwei „Hüte“: Einmal bin ich Journalistin mit Schwerpunkt Natur- und Umweltreportragen und berichtete bisher beispielsweise über Artenschutzthemen wie Überfischung der Meere, Regenwaldzerstörung, Nashornwilderei – nie, ohne immer auch Lösungen und Schutzprojekte vorzustellen.

Seit einer erschütternden Reise in den plastikvermüllten Golf von Panama im Jahr 2010 halte ich seit einigen Jahren auch Schulvorträge über die Schönheit und Fragilität der Ozeane und gebe konkrete Tipps, was jeder zur Vermeidung von Verpackungsbergen und zum Ressourcenschutz beitragen kann. Über meine Reportagereisen erlebte ich schon viel Erschütterndes, aber auch einzigartige Orte. Doch für mich ist es nirgends schöner als in meiner Heimat Oberbayern.

Seit meiner Kindheit liebe ich den in Türkis leuchtenden Walchensee, die Berge und die artenreichen, duftenden Wiesen. Dass ich hier „draußen“ wohnen darf, empfinde ich als großes Privileg.

Auch wenn man es bei meinem „ordentlichen“ Hochdeutsch nicht vermuten würde (lacht): Ich bin in München geboren und aufgewachsen, habe lange in Schäftlarn gewohnt und seit 2016 in Bichl.

Seit einigen Jahren konzentriere ich mich nun auf Themen vor der eigenen Haustüre. Fernreisen und Ressourcen- bzw. Klimaschutz, das passt einfach nicht zusammen.

Zum Wiesenbrüterschutz kam ich über mein ehrenamtliches Engagement beim Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) an der Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen sowie dem Landebund für Vogelschutz (LBV).

Die für die Allgemeinheit vielleicht eher unbekannteren Vögel befinden sich leider im rasanten Sinkflug: bayernweit, deutschlandweit sowie europaweit. Selbst in den Loisach-Kochelsee-Mooren verzeichnen die lokalen Populationen starke Rückgänge. Das Artenhilfsprogramm Wiesenbrüter in Bayern schlägt konkrete Ziele und Maßnahmen für den Schutz der Wiesenbrüter vor. In ganz Bayern unterstützen inzwischen ausgebildete Wiesenbrüterberater wie - mein Mann und ich - über Aufklärungs-, Beratungs- und Vernetzungsarbeit in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und Fachkräften den Wiesenbrüterschutz. Es ist schönes Gefühl, wenn man aktiv mitwirken kann, den Lebensraum zu verbessern. Jedes gesicherte Nest, jeder aufgeklärte Besucher, jede vermiedene Störung, jeder Landwirt, der mitmacht, ist ein Puzzlestück.

Warum sind Dir die Wiesenbrüter und ihr Schutz ein besonderes Anliegen?

Ich gebs zu:

Der Brachvogel und das Braunkehlchen sind meine absoluten Lieblinge unter den Wiesenbrütern.

Die Melodie des Brachvogels, sein wunderschönes Trillern im Flug, seine Optik mit seinem langen, gebogenen Schnabel lassen mein Herz höherschlagen. Oder die Braunkehlchen mit ihrem markanten, weißen Überaugstreif und der rotbraun gefärbten Brust. Sie zu beobachten, wie sie von Schilfhalmen oder Hochstauden wie Disteln aus in artenreichen Wiesen Insekten erbeuten, ist eine wahre Freude. Leider steht es um alle in den Loisach-Kochelsee-Mooren vorkommenden Wiesenbrüterarten nicht gut und die Brutpaare gehen zurück.

Was ist der Grund für den Rückgang der Wiesenbrüter?

Bettina Kelm: Die Gründe sind komplex und vielschichtig. Zum einen sind die am Boden brütenden Vögel sehr störanfällig gegenüber Menschen, die abseits der Wege durchs Brutgebiet laufen. Ein weiteres Problem sind freilaufende Hunde. Die Besucherlenkung ist deswegen sehr wichtig, um Störungen in den Wiesen und somit in der Kinderstube der Wiesenbrüter zu vermeiden. Auch der Lebensraum der Wiesenbrüter muss erhalten und ausgedehnt werden, um ihr langfristiges Überleben im Gebiet sicherzustellen.  Den Lebensraum kann man zum Beispiel durch Erhöhung der Bracheanteile in artenreichen Streuwiesen erzielen, wo die Vögel gute Versteck- und Brutmöglichkeiten haben und wo sie ein günstiges Nahrungsangebot in Form von Insekten vorfinden. Auch das Offenhalten des Gebietes und die Entfernung von Gehölzen spielen dabei eine wichtige Rolle, weil die Vögel Gehölzkulissen  meiden - aufgrund von darin Unterschlupf suchenden Prädatoren wie Greifvögel oder Fuchs.

Was gefällt Dir am Wiesenbrüterschutz?

Mich fasziniert wie vielfältig, aber auch herausfordernd diese Tätigkeit ist und mit wie vielen unterschiedlichen Akteuren ich im Gebiet zu tun habe: Angefangen von Landwirten, Jägern, Fischern immer in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und Fachkräften im Wiesenbrüterschutz. Enorm, was ich allein in den letzten zwei Jahren lernen durfte. Und das ist auch wichtig, denn Besucher kompetent zu informieren, Landwirte für den Wiesenbrüterschutz zu gewinnen, erfordert Wissen und Fingerspitzengefühl. Das Wichtigste ist der Austausch und ein respektvolles Miteinander, dann kann viel gelingen.

Was gehört noch zu Deinen Aufgaben?

Zum meinen Aufgaben gehört zum Beispiel auch die Mitarbeit beim Erfassen der Nester, der Nestschutz sowie die Betreuung der Bruten und Jungvögel. Das ist eine besonders schöne Aufgabe und wichtig: Denn wenn wir wissen, wo sich ein Nest befindet, können wir es bei Bedarf besser schützen: Zum Beispiel durch Ausstecken vor dem Bewirtschaften oder durch einen elektrifizierten Gelegschutzzaun um Prädatoren wie den Fuchs abzuhalten.

Das Positive: Sind notwendige Maßnahmen im Wiesenbrütergebiet umgesetzt und werden diese von allen Seiten angepackt, können Bestände stabilisiert werden. Gehölzentnahmen, das Stehenlassen von ein- oder mehrjährigen Brachen in Streuwiesen, Nesterschutz, Reduzierung von Störungen, und leider auch das Eindämmen des Rutfuchses sind Hebel, die alle zusammen nachweislich unseren „Sorgenkindern“ helfen. Das zeigt auch langjährige Schutzarbeit und konsequente Betreuung in vielen anderen Wiesenbrütergebieten. Es lohnt sich also!

Was kann jeder Einzelne tun, um die vorkommenden Wiesenbrüter nicht zu beeinträchtigen?

Einen Beitrag zum Wiesenbrüterschutz leistet jeder Besucher, der auf die Beschilderung achtet. An den Gebietszugängen der Loisach-Kochelsee-Moore informiert jeweils eine große Gebietstafel über die Artenvielfalt. Eine Karte erläutert, welche Wege zu welcher Zeit erlaubt sind und welche nicht. Wiesenbrüterzeit ist vom 20. März bis 15. Juli.

Im Grunde gilt die einfache Faustregel: Bitte bleibt im Wiesenbrütergebiet auf den befestigten Wegen und beachtet die Stoppschilder. Hunde gehören an die Leine.

Ein Stoppschild bedeutet, dass der jeweilige Weg vom 20.3. bis 15.7. gesperrt ist. Eine besondere Gefahr sind Hunde, die nicht an der Leine geführt werden. Sie können für die in Wiesen brütenden Vögel, das Gelege oder noch nicht flügge Jungvögel das Aus bedeuten. Selbst, wenn Hunde den brütenden Altvogel aus der Entfernung „nur“ hochscheuchen (oft unbemerkt vom Hundehalter), werden die Eier nicht mehr gewärmt und können auskühlen. Das unbehütete Nest lädt zudem Krähen, Greifvögel oder anderen Prädatoren wie Mauswiesel zum Plündern ein. Ein brütender Brachvogel reagiert übrigens schon auf eine Entfernung von 300 bis 400 Meter störungsempfindlich und kann vom Nest auffliegen. Wer die Warnrufe als solche nicht erkennt, bemerkt nicht einmal, dass er gestört hat. Deshalb ist es so wichtig, auf den Wegen zu bleiben.

Eine weitere Möglichkeit ist, beim Einkaufen regionale Bioprodukte zu unterstützen, insbesondere bei Milch und Fleisch und somit die regionalen Landwirte zu unterstützen, die naturverträglich wirtschaften.

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Natürlich, dass sich die Wiesenbrüterbestände bei uns und auch landesweit wieder erholen. Und dass Akteure für den Schutz gewonnen und Störungen im Gebiet vermieden werden können. Aller Anfang ist eine gute Aufklärung über die Schutzwürdigkeit der Wiesenbrüter, welche Maßnahmen helfen und welche Fördermöglichkeiten es für Landwirte gibt. Diese Kampagne ist in diesem Rädchen sehr wichtig und wertvoll.

Naturschutz geht nur gemeinsam.   

Das Interview führte Frau Hannah Heither, Biodiversitätsberaterin, UNB TÖL-WOR.

Mehr zu Frau Bettina Kelm: www.reisereportagen-kelm.de


Mehr Informationen zum Schutzgebiet Loisach-Kochelsee-Moore.